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4.12.11

Friedrich Nietzsche: Der Herbst

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –
Die Sonne schleicht zum Berg
und steigt und steigt
und ruht bei jedem Schritt.

Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh –
er klagt ihr nach.

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –
O Frucht des Baums,
du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich die Nacht,
dass eisger Schauder deine Wange,
die Purpurwange deckt? –

Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? – –
Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –
“Ich bin nicht schön”
– so spricht die Sternenblume –
“doch Menschen lieb ich
und Menschen tröst ich –
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
nach mir sich bücken,
ach! und mich brechen –
in ihren Augen glänzet dann
Erinnrung auf,
Erinnerung an Schöneres als ich: –
ich sehs, ich sehs – und sterbe so!” –

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –

Dies ist der Herbst: der – bricht Dir noch das Herz!
Fliege fort! Fliege fort! –

– Friedrich Nietzsche

Entnommen der Anthologie Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik, gesammelt von Will Vesper, Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1906. Dieses Gedicht entstammt Nietzsches Buch Gedichte und Sprüche.

19.11.11

Herbstliches von Max Dauthendey

Die Raben schreien wie verwundet
und prophezeien Nacht und Not.
Der Frost hat jede Tür umstellt
und der Hungerhund bellt.
Wir halten uns immer enger umschlungen,
im Küssen fanden wir noch kein Wort,
die Lerchen haben sich tot gesungen
und Wolken wälzten den Sommer fort.
Doch Dein Haupt, das in meinem Arm sich wiegt,
weiß nicht mehr, wo die Erde liegt.

– Max Dauthendey (1867-1918)

Entnommen der Anthologie Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik, gesammelt von Will Vesper, Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1906. Dieses Gedicht entstammt dem Band Die ewige Hochzeit von 1905, war also zur Zeit der Herausgabe der Anthologie erst seit einem Jahr veröffentlicht.

Biografisches

23.4.11

Not having the atomic pie but selling it

Nuclear power plants are oh so bad
is what German politicians suddenly said
after the Fukushima event in Japan.
But are they bad enough to ban
German exports of such plants
to people in other lands?

– Felix Morgenstern (© 2011)

Written as the requested short, satirical poem for NaPoWriMo day 23. Some of the rhymes limp, but what’s a little poetic stumble compared to the big tumble of some nuclear power plants?

18.4.11

Profile of my best friend

He goes out,
drinks with his buddies,
but never gets wasted.

He falls in love regularly
with complicated women
who somehow like him
but never enough.

He works because
he needs the money.
Work gives him structure.

Occasionally he even works well
because he takes pride in what he does.

He expects this to go on and on
until death do him part.

– Iself (© 2011)

Written for NaPoWriMo day 18. The idea was to do a portrait of someone, which I did.

5.4.11

The 2011 Francisco Cabrera Revolution


We almost missed the revolution.
– Paul Hughes
In a nightmarish café
(garish, gaudy lights,
smoke twirls, drone,
laughter, cackling)
in which I'd long given up
trying to listen to anyone
in particular, somebody
raised a glass and shouted
above the din, "Long live
the revolution!"

All I remember after that
is feeling guilty about not
knowing which revolution
this was about. But I did
not dare ask for fear of
appearing uninformed.

Which I am, about most
revolutions nowadays.

– Iself (© 2011)

Written for NaPoWriMo day 5.

The challenge today was to take another participant's poem and riff off of it. The one I riffed off of was one by Paul Hughes titled subway talk part ii (to be read here).

19.3.11

Der rote Schubkarren

so viel hängt ab
von

einem roten Schub-
karren

besprengt mit Regen-
wasser

bei den weißen
Hühnern.

– William Carlos Williams

Ins Deutsche gebracht von Johannes Beilharz (© der Übersetzung 2011).

Original: The red wheelbarrow

Eloge an WCW

Respektlose Nachbemerkung
Was genau von den obigen poetischen Gegebenheiten abhängt, konnte bisher noch nicht hinreichend geklärt werden, gehört jedoch eindeutig ins Reich der Philosophie.

Eloge an WCW

Was von dem roten
Schubkarren und

den weißen Hühnern
abhängt, konnte noch

nicht definitiv geklärt
werden. Was Regen

anrichten kann, das ist
hinreichend bekannt.

– Johannes Beilharz (© 2011)

Bezieht sich auf das häufig zitierte Gedicht von William Carlos Williams, The Red Wheelbarrow (Der rote Schubkarren).

2.1.11

Die Uhr des Heiligen Panda

(Etwas aus dem Spanischen zur Erheiterung im neuen Jahr)

Die Uhr des Heiligen Panda

                       Sie geht nicht!

Arme Uhrmacherin, die du diese Uhr gebaut hast –

                    Was hast du nur mit dieser Uhr gemacht?

                          Ich denke an diese Uhr an den verschiedensten Orten

              an Uhrorten

                       die nicht gehen

– Justinián Belisar

aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz (© 2011)

----------

El reloj del Santo Panda

                       ¡no anda!

Pobresita relojera que hiciste este reloj

                    ¿Qué has hecho con este reloj?

                          Sigo pensando en este reloj en lugares muy diversos

              En lugares de reloj

                       no andando

– Justinián Belisar (© 2002)

Anmerkung des Übersetzers
Über Justinián Belisar, den Autor dieses Gedichts, ist mir nichts bekannt, außer dass er aus Argentinien stammt. Er schickte mir 2002 per E-Mail mehrere Gedichte für mein Literaturforum mit der Bitte, sie dort zu veröffentlichen, reagierte danach aber auf keine meiner Mails.
In seinem ersten und einzigen Schreiben sagte er lediglich, dass er sich außerhalb des aktuellen Literaturbetriebs sieht, der ihn ankotzt, und dass er deshalb in seinem Heimatland regelmäßig nicht veröffentlicht wird.

24.12.10

Christian Morgenstern / Winternacht

Ein Wintergedicht zu den Feiertagen und zum Jahresende ...

Winternacht

Flockendichte Winternacht ...
Heimkehr von der Schenke ...
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich deiner denke.

Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen ...
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen? ...

Stilles Einsamwandern macht,
daß ich nach dir leide ...
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide ...

Christian Morgenstern (1871-1914)

Für die Kenntnis dieses Gedichts danke ich Lyrikmail.

17.10.10

Vicente Huidobro / Kutter

Die Erinnerungen
                           sind es müde geworden, mir zu folgen

                   DER WEG WAR SO LANG

Dieser Wind kam von etlichen Schwingen
Und die Tage vergehen heulend am Horizont

Als junger Kutter
Durchkreuzte ich viele Ungewitter
Bei Seemannsliedern

Alle Möwen
                   gaben mir Federn in die Hände

Hinter dem letzten Berg
                                     stiegen die Monate hinab

Ein posthumer Gesang versperrte uns die Ausfahrt

– Vicente Huidobro (aus “Poemas árticos”, erste Veröffentlichung 1918)

Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz (© 2010)

Weitere Gedichte von Vicente Huidobro

11.10.10

Yannis Ritsos / Heilung

Die Nächte gingen sehr dunkel vorbei.
Gewaltige Schreie liefen im Wind.
Am nächsten Tag erinnerten wir uns an gar nichts.
In der Zeit klaffte ein tiefes Loch.

Da, wo der Wolf sich eingenistet hatte,
blieb ein Schlagloch, mit warmem Wolfshaar ausgekleidet.
Jetzt könnte sich dort ein Schaf hinlegen.

– Yannis Ritsos (1909-1990)

Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz (© 2010)

[Titel des griechischen Originals: Επουλωση. Aus: Ritsos in Parenthesis, Princeton University Press 1979]

3.10.10

Yannis Ritsos / Tischkalender

Monate und Monate, Wochen, Tage – unlernbares Jahr.
April mit kurzsichtiger Brille auf der Gartenbank.
Juli verbietet dir, allein zu schlafen.
September erinnert sich an verschlossene Häuser –
zwei Papierblumen und ein schwarzer Kamm mit groben Zähnen auf dem Tisch.
Im November hält ein Mann einen Stein auf dem Knie.
Januar, Februar – alle sind im Ausland.
Der Wind macht verzweifelte Gesten
vor der Glastür des geschlossenen Hotels.
Dann erscheint die stille Reinemachfrau frühmorgens
mit einem Schwamm, um die Fenster zu putzen.

– Yannis Ritsos (1909-1990)
Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz (© 2010)

[Titel des griechischen Originals: Επιτραπεζιο Ημερολγιο. Aus: Ritsos in Parenthesis, Princeton University Press 1979]

Nachbemerkung des Übersetzers
Wie kam ich dazu, heute dieses Gedicht zu übersetzen? Bei einem Gang durch die Wohnung fiel mir auf, wie verstaubt Ritsos in Parenthesis im Regal war, nahm das Buch mit, staubte es ab, schlug es planlos auf der Seite mit diesem Gedicht auf, las es und beschloss, es zu übersetzen. Es schien mir sehr gut zu dem heutigen goldenen Herbst-Sonntag zu passen.

27.5.10

Nachtigall

Graue Melodie.
In dir singen Erde und Himmel
Und sind Frühling.

– Peter Hille (1854-1904)

Dieses Gedicht flatterte mir in der gestrigen Lyrikmail ins Postfach.

1.5.10

NYC

redeeming snowy rooftops
upper east side manhattan
looking toward sunrise
12th floor blinking red for planes
and below the neighbor's hillocked roof garden
at night the jewelry of tiny glowing rectangles
infinite humans in that flying brick
the chirping of a small bird
a siren far then near then far
the rush of tires
a horn

– Deirdre LaPenna (© 2010)

This poem was originally posted in response to one of my own (Ditty in celebration of a grey city morning).

Other poems by Deirdre:
First poem
It is not imaginary
Older poems

10.4.10

They call him the breeze

It happened by unthought known –
he knocked up my friend

Said shucks when told
and for amendment from his native country
Há tempos ... there are times

Don’t cry sister cry – get ready
for the times to get better

– Iself (© 2010)

A late entry for napowrimo #1, iTunes on shuffle. The pieces were:

Knocked up – Kings of Leon
Don’t cry sister cry – J.J. Cale
Shucks – Bill Frisell
Unthought known – Pearl Jam
Há tempos – Legião Urbana  

From memory I added a modified version of “They call me the breeze” by J.J. Cale for the title and “Ready for the times to get better” by Crystal Gayle for closure.

Ditty

In celebration of a grey city morning

The sky is grey, the roofs glisten a lifeless red,
just rose from restless sleep in bed

Last night I inhaled tons of smoke
and had too much rum with my coke

Give this city boy some good country rest,
a tour in spring air and today will be blest

– Johannes Beilharz (© 2010)

Havent’s quite shaken off the effects of last night’s outing with friends in a smoker bar as you can read here in this silly celebration for napowrimo #10.

4.4.10

Ms. Mueller’s Receiving Speech

“Here’s your room – there’s your view of the Alps.
On good days you can see the Zugspitze.
Did you see it on the way? There’s one place
around Fernpass where you can see it. I see,
you didn’t stop there. Here’s the bathroom,
please use the toilet brush. There’s hot water
in the mornings. Breakfast from 7 to 10
in the cellar or on the terrace on sunny days.
Tomorrow won’t be sunny, going by the forecast.
And tomorrow you plan to be where? Merano?
Well, then, good night.”

– Johannes Beilharz (© 2010)

Lends itself quite well to inside out for napowrimo #4.

2.4.10

Ernst Stadler: Bahnhöfe

Bahnhöfe

Wenn in den Gewölben abendlich
    die blauen Kugelschalen
Aufdämmern, glänzt ihr Licht in die Nacht hinüber
    gleich dem Feuer von Signalen.
Wie Lichtoasen ruhen in der stählernen Hut
    die geschwungenen Hallen
Und warten. Und dann sind sie
    mit einem Mal von Abenteuer überfallen,
Und alle erzne Kraft
    ist in ihren riesigen Leib verstaut,
Und der wilde Atem der Maschine, die wie ein Tier
    auf der Flucht stille steht und um sich schaut,
Und es ist,
    als ob sich das Schicksal vieler hundert Menschen
    in ihr erzitterndes Bett ergossen hätte,
Und die Luft ist kriegerisch erfüllt
    von den Balladen südlicher Meere
    und grüner Küsten und der großen Städte.
Und dann zieht das Wunder weiter.
    Und schon ist wieder Stille und Licht
    wie ein Sternhimmel aufgegangen,
Aber noch lange halten die aufgeschreckten Wände,
    wie Muscheln Meergetön, die verklingende Musik
    eines wilden Abenteuers gefangen.

– Ernst Stadler (1883-1914)

31.3.10

Fixpoetry

Ohne Titel
Gouache und Ölkreide, 2010

Ich freue mich, ankündigen zu dürfen, dass ich jetzt bei Fixpoetry mit etlichen neueren Gedichten zu lesen bin - meine Autorenseite ist hier direkt erreichbar.

Herzlichen Dank, Julietta!

6.1.10

Momentaufnahme

Es geht mir nicht gut! Ich mache wieder mal eine “unberührbare” Phase durch, in der ich mit der Welt hadere (weil sich mir gerade intensiv die Einsicht aufdrängt, dass die Welt meinem Wunsch nicht nachkommt, mich zu amüsieren und zu befriedigen), und das ist eine gefährliche, unwürdige und undankbare Stimmung. Auf diesem Planeten ist kein Platz für Langeweile. Es gibt zu viel zu tun. Aber was?

– Erika Bedardi (© 2010)

Weitere kurze Prosastücke der Autorin in Ultrakurzgeschichten

Kurzgeschichten im Forum für Literatur Alb-Neckar-Schwarzwald